Köllerbach/Düsseldorf (14. Juli 2023). Seit 800 Jahren besteht die Martinskirche in Püttlingen-Köllerbach (Saarland). „Durch die Jahrhunderte hindurch hört die Gemeinde an diesem Ort auf Worte der Bibel als Ausrichtung und Leitbild, als Hilfe zum Leben“, sagt Christoph Pistorius, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, in seiner Predigt während der Jubiläumsfeierlichkeiten am Sonntag, 16. Juli – und blickt zugleich in die Zukunft.
Die Martinskirche Köllerbach ist laut Vizepräses Pistorius ein Ort, an dem Taufen und das Abendmahl gefeiert werden, an dem Menschen bewegt, berührt und verändert werden. „Das ist Anlass zur Dankbarkeit an alle, die beruflich oder ehrenamtlich die Arbeit der Gemeinde geprägt und sie unterstützt haben.“ Dabei nahm Pistorius zugleich die künftigen Kernaufgaben für Kirchengemeinden in den Blick. „Nicht wenige Menschen haben das Gefühl, nicht gesehen zu werden mit den Fragen und Problemen, die ihr Leben ausmachen. Resignation, Politikverdrossenheit, Protestverhalten in Wahlen oder Demonstrationen ohne das Streben nach Lösungen gefährden zunehmend das Miteinander unserer Gesellschaft.“ Es gehe deshalb vor allem darum, als Kirche die Menschen wahrzunehmen mit all ihren Sorgen und Bedürfnissen. „Selbstkritisch müssen wir uns eingestehen: nicht wenige Menschen haben das Gefühl, auch in unserer Kirche nicht gesehen oder wahrgenommen zu werden.“
„Du bist ein Gott, der mich sieht“
Gottes Worte können dabei Mut machen, so Pistorius. „,Fürchte dich nicht!‘: Das ist in der Bibel immer wieder das erste Wort, wenn Gott einem Menschen begegnet. Das erste, was Gott mit uns tut, ist: er richtet uns auf und macht uns Mut.“ Niemand kenne uns besser, als Gott. „Er spricht zu uns: ,Du bist bei mir nicht namenlos und fremd.‘ Oder mit den Worten unserer Jahreslosung: ,Du bist ein Gott, der mich sieht.‘“ Gott steht laut Pistorius schützend an unserer Seite, wir müssen uns nicht selbst aus dem Sumpf ziehen. „Doch was trägt das aus angesichts der Krisen unserer Zeit, von denen jede und jeder mühelos aus dem Stand eine Handvoll benennen könnte“, fragt Pistorius an die Gemeinde gerichtet. Für viele Menschen seien Kirchen wie die in Köllerbach in der Geschichte auch ein Ort gewesen, um mit Gott zu hadern, ihm Wut und Verzweiflung vor die Füße zu schleudern.
Göttlicher Widerspruch statt menschlicher Depression
Dieser menschlichen Depression und Resignation stehe göttlicher Widerspruch gegenüber. „Nicht Kapitulation vor der Wirklichkeit, sondern Ermutigung zum Aufbruch.“ Wichtig sei, nicht die Fehler und das Versagen in den Vordergrund zu stellen, sondern Gottes Liebesversprechen. Nicht mit Angst und Drohung zu arbeiten, sondern zu sagen: „Fürchte dich nicht!“ Nicht in einer verklärten Vergangenheit zu verharren, sondern beherzt und zuversichtlich die Zukunft zu gestalten. Gemeinde solle ein Ort sein, an dem all dies erfahrbar werde, auch und gerade außerhalb kirchlicher Veranstaltungen. „Deshalb sind Jubiläen in der Gemeinde wichtig zur Würdigung des Geschehenen und zur Orientierung für den weiteren Weg: Wohin wollen wir mit unserer Gemeinde und was will der Herr der Kirche mit unserer Gemeinde?“, betont Pistorius. 800 Jahre Martinskirche seien 800 Jahre Liebeserklärung Gottes und Ruf zum Aufbruch hier in Köllerbach. „So wird die Liebeserklärung an das Volk Israel gleichsam zum Reisesegen für Gottes verunsicherte Gemeinde heute auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft.“