Der Übergang von der Kita in die Schule ist ein großer Schritt – oft für die ganze Familie. Diplom-Pädagogin Ulrike Laengner leitet regelmäßig an evangelischen Einrichtungen Kurse zum Thema „Fit für die Schule“ – und weiß, wie Eltern ihre Kinder unterstützen können.
„Für die Kinder ist durch den Schulstart alles neu“, weiß Ulrike Laengner. Plötzlich sind sie die Kleinen. Das Gebäude ist in der Regel größer. Und die Gruppensituation mit fremden Kindern ist eine andere. „Sie müssen lernen, sich angesprochen zu fühlen, wenn die Lehrerin oder der Lehrer etwas sagen.“ Bedeutet: Übungen und Hausaufgaben müssen erledigt werden. „Die Kinder merken schnell: Sie müssen Verantwortung übernehmen.“ Das habe es in der Kita etwa beim Aufräumen auch schon gegeben. „Das war aber optionaler, die Konsequenzen waren geringer.“
Kitas bereiten Kinder auf Schulzeit vor
Im letzten Kita-Jahr beginnt die Vorbereitung auf die Schule. „Manche Einrichtungen haben ein komplettes Vorschulprogramm, andere wiederum nehmen die Vorschulkinder regelmäßig zu speziellen Aktionen aus der Gruppe.“ Dabei gehe es immer darum, Basiskompetenzen zu erlernen. Im Fokus stehen etwa das Sozialverhalten, das Verständnis von Zahlen und Mengen, das Verhalten im Straßenverkehr und die Konzentration. Laengners Erfahrung ist: Kinder nehmen in diesem Jahr unglaublich gerne Neues auf und wollen herausgefordert werden.
Das fällt Kindern besonders schwer
„Besonders herausfordernd ist für Kinder in der Schule, sich lange auf etwas konzentrieren zu müssen“, erklärt Laengner. Wie gut das gelingt, hänge auch von der Familie ab. Kinder seien gute Beobachter. „Wenn Eltern oder Geschwister Stress vorleben und nie konzentriert bei einer Sache sind, übernehmen sie das.“ Ihr Rat: Sich bewusst Zeit für die Kinder nehmen und zeigen: Was wir jetzt machen, machen wir mit voller Aufmerksamkeit. Und elektronische Geräte auch mal abschalten. Denn Laengner ist zu 100 Prozent überzeugt, dass digitale Medien eine entscheidende Rolle für die Konzentrationsprobleme spielen. „Die Inhalte sind oft hektisch. Und wir erleben Eltern, die ständig am Smartphone sind.“ Damit könnten sie den Kindern nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken. „Und sie vermitteln indirekt: Der Anruf, die Nachricht, das Bild ist mir im Moment wichtiger als du.“
Vorfreude statt Angst
„Generell überwiegt bei Kindern die Vorfreude“, betont Laengner. Angst komme in der Regel dann auf, wenn Kinder spüren, dass sich die Eltern oder Erzieherinnen Sorgen machen. Sätze wie: „Oh, du schaffst es nicht, dich zu konzentrieren, das musst du ändern, bald kommt der Ernst des Lebens“ seien etwas Bedrohliches, das von den Erwachsenen ausgehe. Zudem seien die meisten Kinder angstfrei und neugierig, wenn sie zu Hause keine Gewalterfahrungen gemacht hätten. „Natürlich steigt kurz vor dem Wechsel auch die Aufregung. Dann geht es darum, wie die Familie und das Kita-Personal den Übergang begleiten“, sagt Laengner, die selbst im Kita-Bereich gearbeitet hat, ehe sie Referentin wurde.
Wie Eltern ihre Kinder unterstutzen können
„Eltern können ganz viel tun“, betont Laengner. Wichtig sei es, den Kindern ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, ihnen etwas zuzutrauen. Helfen könne dabei, sich abends ein paar Notizen zu machen, was das Kind gerne tut, was man selbst erwartet und wo man sich Sorgen macht. „Und dann gilt es, sich zu hinterfragen: Ist das etwas, das im Grunde ich meinem Kind aufbürde?“ Ein Blick auf die eigene Schulzeit sei ebenfalls lohnenswert. „Oft haben wir gute Erinnerungen und viele Probleme bewältigt.“ Dann könne eine gewisse Leichtigkeit vermittelt werden: „Bei mir war das auch so, aber dann habe ich das so und so geschafft.“
Worauf Eltern achten sollten
Kann mein Kind Geräusche und Farben erkennen? Kann es auch mal warten und redet nicht immer dazwischen? Nimmt es Aufgaben wahr, die ihm gestellt werden? „All diese Dinge sind Grundvoraussetzungen für die Schule, die Eltern in den Blick nehmen können.“ Dabei gelte es aber zu bedenken: Nicht alle Kinder sind in der Entwicklung gleich schnell. „Deshalb sage ich immer: Vergleicht euch nicht. Vergleichen ist Gift.“ Und Eltern sollten ihre Sorgen nicht den Kindern aufladen. „Das verunsichert sie.“ Spüren Kinder hingegen Vertrauen, Respekt und Herzenswärme, gehen sie mit sehr viel mehr Freude, Neugierde und Selbstbewusstsein durchs Leben – und können Rückschläge besser wegstecken.
Das können Eltern bei Problemen tun
„Zuerst einmal sollten sich Eltern klar machen, dass Schwierigkeiten vorkommen können. Und den Dampf aus dem Kessel nehmen. Deswegen ist das eigene Kind kein Problemkind“, betont Laengner. Es sei auch in Ordnung, überfordert zu sein. „Wichtig ist, dem Kind zu vermitteln: Das ist nicht der Weltuntergang, wir kommen gemeinsam aus der Situation heraus.“ Durch Gespräche – mit dem Kind und anderen Eltern – lässt sich die Ursache für das Problem herausfinden. „Manchmal sind es Dinge, die wir gar nicht sehen. Etwa eine Mitschülerin oder ein Lehrer, mit dem das Kind nicht umgehen kann.“ Oder der Stress am Morgen. „Manchmal hilft es, bei der Problemlösung etwas zu wagen.“ Sprich: Den Mut haben, die Klasse zu wechseln oder den Arbeitgeber um einen späteren Arbeitsbeginn zu bitten. „Die Hemmschwelle ist natürlich hoch, weil das als Schwäche gedeutet werden kann. Es gibt aber Kinder, die blühen durch die neue Lehrerin oder die Ruhe am Morgen plötzlich auf.“