DREI FRAGEN AN Wolfgang Hüllstrung, landeskirchlicher Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog, zum rheinischen Synodalbeschluss im Jahr 1980 und einem aktuellen Sammelband aus Anlass des 40-jährigen Bestehens.
Herr Hüllstrung, aus dem 2020 geplanten Festakt zum 40-jährigen Bestehen des rheinischen Synodalbeschlusses „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ ist wegen Corona nichts geworden. Stattdessen liegt jetzt ein Sammelband vor. Wie kam es dazu?
Wolfgang Hüllstrung: Der Ausgangsimpuls, 40 Jahre nach dem Beschluss ein Symposium mit Festakt zu veranstalten, ging von der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Bonn aus. Angesichts des vehementen Konflikts, der 1980 wegen des Beschlusses zwischen Fakultät und Landeskirche ausgebrochen ist und deren Verhältnis lange belastet hat, kommt diesem Umstand große Bedeutung zu. Die Pandemie hat uns zwar beim Symposium einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber fast alle, die als Referent*innen bei dem Symposium mitgewirkt hätten, haben dann zugesagt, einen Aufsatz zu einem Sammelband beizutragen. So liegt das Symposium jetzt sozusagen in Buchform vor. Ich hoffe, das führt dazu, dass es einen größeren und nachhaltigeren Rezipientenkreis geben wird – auch außerhalb der rheinischen Kirche.
Was war 1980 das Wegweisende des Beschlusses?
Hüllstrung: Wegweisend war, dass eine theologische Verständigung und ein weitgehender landeskirchlicher Konsens über ein komplexes Thema erreicht wurden. Theologisch bestand die Herausforderung darin, einerseits den Christusglauben, der für die Kirche essenziell ist, nicht zu schmälern oder zu relativieren. Und andererseits die Ablehnung des Christusglaubens durch die Juden und Jüdinnen nicht als Hindernis dafür zu werten, Israel als erwähltes und mit Gott auch gegenwärtig im Bund stehendes Volk anzusehen, dem die Kirche ihre Grundlagen verdankt. Für die Kirche ist das bis heute ein anspruchsvoller Lernprozess, den der Alttestamentler Rüdiger Lux so beschreibt: „Das erneuerte Christentum wird ein Christentum der Dankbarkeit sein, ein Christentum der Bescheidenheit, ein Christentum der Geduld.“
Welche Bedeutung hat der Beschluss für das christlich-jüdische Verhältnis heute?
Hüllstrung: Dem rheinischen Synodalbeschluss und seiner Vorgeschichte wird im fünften Band der rheinischen Kirchengeschichte ein ausführliches eigenes Kapitel gewidmet. Das zeigt schon: Hier handelt es sich um einen theologiegeschichtlich höchst bedeutsamen Prozess der Erneuerung, der eigentlich die Grenzen einer deutschsprachigen Landeskirche übersteigt und auf ökumenische Weite abzielt. Bestätigt wurde dies in der Folgezeit nicht zuletzt dadurch, dass trotz zahlreicher kritischer Stimmen fast alle Landeskirchen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die EKD selbst sich diesem Erneuerungsprozess angeschlossen haben. Allerdings hat uns die ÖRK-Vollversammlung 2022 in Karlsruhe schmerzhaft vor Augen geführt, dass die ökumenische Weite noch lange nicht eingeholt ist. Aber auch auf jüdischer Seite hat der Beschluss von 1980 Wirkung gezeigt. Nach Ansicht des Beauftragten der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands für interreligiösen Dialog, Jehoschua Ahrens, hat er mit dazu beigetragen, „die Grundlage für eine wieder aktivere jüdische Beteiligung am Dialog zu schaffen, was sich letztendlich auch unter anderem in den jüdischen Erklärungen zum Christentum 2000, 2015 und 2017 zeigte“.