Das Interkulturelle Netzwerk zur Unterstützung von Geflüchteten in der Evangelischen Paul-Schneider-Gemeinde festigt sich. Koordinator Michael Demmig steht jeden Dienstag und Donnerstag vormittags im Gemeindezentrum in der Bad Sobernheimer Kirchstraße mit Rat und Tat zur Verfügung. Seine Aufgabe ist es, Hilfesuchende sowie Bürgerinnen und Bürger, die gerne helfen wollen, zusammenzuführen.
Der ständige Zustrom von Geflüchteten weckt bei vielen Einheimischen das Bedürfnis, den Menschen, die aus ihren Heimatländern geflohen sind, zur Seite zu stehen. Einer von ihnen ist Uwe Hülsmann. Er setzt sich für einen jungen Mann ein, der mit besonderen Schwierigkeiten bei der Integration kämpft. Er nennt ihn Josua und rät davon ab, den richtigen Namen des 24-Jährigen zu veröffentlichen. Josua stammt aus einem vom Bürgerkrieg zerrissenen ostafrikanischen Land. Dessen totalitäres Regime verfolgt regierungskritisch eingestellte Menschen bis nach Deutschland, wo sie oft Opfer von Gewalttaten werden.
Hindernisse Stück für Stück erkunden
„Als ich ihn kennenlernte, habe ich in seinen Augen großes Misstrauen gesehen“, berichtet Uwe Hülsmann. Keine einzige angebotene Maßnahme, ob Sprach- oder Integrationskurs, habe bei Josua funktioniert. „Trotzdem war den Eindruck: Da geht noch etwas.“ So machte sich Hülsmann in detektivischer Arbeit daran, Stück für Stück Hindernisse zu erkunden und Josua zu helfen, sich im deutschen Alltag zurechtzufinden. Allein die Verständigung war denkbar schwierig, denn der junge Mann spricht eine seltene ostafrikanische Sprache, für die sich kaum Dolmetscher finden lassen.
Mangelnde Bildung erschwert Umgang mit Bürokratie
So etwas wie ein Durchbruch ergab sich erst mit der Erkenntnis, dass Josua weder lesen noch schreiben kann. Damit war klar, warum er Fristen zur Verlängerung seines Aufenthaltstitels versäumte oder Mahnbescheide ignorierte, sodass sich immer mehr Schulden aufhäuften. Schon gar nicht kam er mit den Finanzen zurecht. Ganz banal ein Konto zu eröffnen – ein Ding der Unmöglichkeit. „Er hat Briefe einfach beiseitegelegt, weil er sie nicht lesen konnte“, erklärt Uwe Hülsmann. Kein Wunder: Lediglich vier Jahre lang ging Josua in seiner Heimat zur Schule. Danach verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Wasserträger für Eselskarawanen durch die Wüste.
Gemeinsam „die Kuh vom Eis kriegen“
Josua kann sich keinen besseren Helfer wünschen als Uwe Hülsmann. Bevor Hülsmann in den Ruhestand ging, war er im Öffentlichen Dienst tätig. In seinem Beruf hat er gelernt zu organisieren, er ist mit der Systematik deutscher Behörden vertraut und hat keine Berührungsängste gegenüber Ämtern aller Art. Ob Job-Center oder Service-Point der Ausländerbehörde: Hülsmann ist bestens vernetzt. Mitten im Gespräch über Josua und sein Schicksal klingelt sein Mobiltelefon. Es meldet sich eine Mitarbeiterin des Job-Centers Kirn. Minutenlang erörtert Hülsmann mit ihr ein Problem. Schließlich vereinbaren sie einen Termin zum persönlichen Gespräch. Der Ton klingt vertraut und am Ende ist man sich einig, „wie wir die Kuh vom Eis kriegen“, wie Hülsmann zufrieden resümiert.
Wer die Sprache nicht beherrscht, kann nicht heimisch werden
Auch für Josua zeichnet sich ein Silberstreifen am Horizont ab. Ein Gespräch beim Jobcenter steht an und demnächst beginnt ein Alphabetisierungskurs. Auch niedrigschwellige Arbeiten kommen für ihn in Frage. „Es gibt eine große Skala von Betreuungs- und Integrationsangeboten“, erläutert Michael Demmig. Oft scheiterten Geflüchtete daran jedoch wegen mangelnder Sprachkenntnisse. „Wenn man die Sprache nicht beherrscht, kann man hier nicht heimisch werden“, betont er. Hinzu kommt, dass viele von ihnen durch die Erlebnisse auf ihrem gefährlichen Fluchtweg traumatisiert sind. „Manchmal sitzen Menschen hier und weinen“, berichtet er und wünscht sich: „Wir bräuchten unbedingt Unterstützung durch Psychologinnen und Psychologen.“
Viele Möglichkeiten zur ehrenamtlichen Unterstützung
Es sind kleine Schritte, die Michael Demmig und seine ehrenamtlichen Netzwerker gehen, aber ihre Erfolge ermutigen auch zum Engagement. Darum wirbt das Netzwerk um Verstärkung durch Ehrenamtliche. „Jeder kann selbst bestimmen, wie viel Zeit er für die Unterstützung der Geflüchteten investieren will“, unterstreicht Demmig. „Ob eine Stunde pro Woche oder ein befristeter Einsatz über zwei Wochen – alles ist möglich.“ Manchmal reiche schon ein Anruf bei einer Grundschule, ein wenig deutsche Konversation oder Nachhilfe, die dankbar angenommen werden. Unterstützung erhalten ehrenamtliche Helfer durch den Koordinator selbst, aber auch durch Erfahrungsaustausch untereinander. Uwe Hülsmann steuert eine wesentliche Erfahrung bei: „Es kann nicht jeder alles, aber Viele können Vieles.“